Geht Ihnen Weihnachten auch so sehr auf die Nerven wie mir?
Ja. Weihnachten geht mir auf die Nerven. Und nein, das ist kein âinneres Kindâ, das geheilt werden will. Das ist ein erwachsenes Nervensystem, das erkennt: Hier lĂ€uft eine gesellschaftliche Pflichtinszenierung, die sich als WĂ€rme tarnt, aber in Wahrheit vor allem eines produziert - Druck.
Weihnachten ist die Zeit, in der Menschen so tun, als hĂ€tten sie plötzlich eine Seele im Sonderangebot entdeckt. Elf Monate lang wird NĂ€he delegiert, Freundlichkeit rationalisiert. Und dann, im Dezember, wird alles nachgeholt - mit einem Pathos, das man sonst nur aus Staatsakten kennt. Der Kalender zwingt uns zu GefĂŒhlen. Und das ist psychologisch ungefĂ€hr so sinnvoll, wie sich vorzunehmen, am Donnerstag um 18 Uhr spontan zu sein.
Der Grund, warum mich das nervt, ist ziemlich einfach: Weihnachten ist nicht das Fest der Liebe.
Es ist das Fest der Erwartungen.
Und Erwartungen sind die aggressivste Form von Hoffnung. Man erwartet Harmonie, Dankbarkeit, âbesinnliche Stimmungâ, perfekte Geschenke, perfekte Familienbilder. Und weil niemand das leisten kann, wird die Differenz zwischen Ideal und RealitĂ€t mit passiv-aggressiver Freundlichkeit zugeschmiert. Die Psychologie nennt das kognitive Dissonanz: Wenn das Bild nicht stimmt, wird nicht das Bild korrigiert - sondern die RealitĂ€t beschuldigt.
Und dann diese Geschenke. Diese kleinen, teuer verpackten SchuldabtrĂ€ge. Man kann ein Jahr lang emotional abwesend sein und es dann mit einem Pullover âwiedergutmachenâ, der aussieht wie eine Strafe. Beziehung wird zur Transaktion: Ich gebe dir etwas, damit wir nicht ĂŒber das reden mĂŒssen, was fehlt.
Das ist keine GroĂzĂŒgigkeit.
Das ist Konfliktvermeidung.
Ich sehe leider immer die Mechanik. Weihnachten arbeitet mit sozialer Erpressung. Wer mitmacht, gilt als âwarmâ. Wer nicht mitmacht, als âkaltâ. Das ist klassisches Gruppendenken: KonformitĂ€t wird als Moral verkauft. Und wer abweicht, wird emotional sanktioniert. Nicht mit Argumenten; mit Blicken.
Was mich daran wirklich immer fasziniert: Wie schnell erwachsene Menschen regressieren. Plötzlich wird wieder gezÀhlt, verglichen, gekrÀnkt. Wer hat wen eingeladen? Wer hat wie viel geschenkt? Wer ruft wen an? Weihnachten ist das jÀhrliche Audit der Beziehungskonten; nur ohne Transparenz, ohne Regeln und mit maximaler KrÀnkungsbereitschaft. Der Mensch liebt Rituale, aber er liebt noch mehr: Recht behalten in seinen EnttÀuschungen.
Und trotzdem: Ich verstehe, warum Weihnachten existiert. Es ist ein kultureller Notfallknopf. Ein symbolischer Versuch, den sozialen Zusammenhalt zu retten, weil er im Alltag zu teuer geworden ist. Nur: Ein Notfallknopf ersetzt keine Wartung. Wer NĂ€he nur im Dezember ĂŒbt, erlebt sie im Rest des Jahres als Ausnahmezustand.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht gegen Liebe, wohl aber gegen ihre Zwangsverordnung. Und wenn es Sie auch nervt: Willkommen im Klub.
Wir sind nicht unbesinnlich.
Wir sind nur allergisch gegen Inszenierung.
Ja. Weihnachten geht mir auf die Nerven. Und nein, das ist kein âinneres Kindâ, das geheilt werden will. Das ist ein erwachsenes Nervensystem, das erkennt: Hier lĂ€uft eine gesellschaftliche Pflichtinszenierung, die sich als WĂ€rme tarnt, aber in Wahrheit vor allem eines produziert - Druck.
Weihnachten ist die Zeit, in der Menschen so tun, als hĂ€tten sie plötzlich eine Seele im Sonderangebot entdeckt. Elf Monate lang wird NĂ€he delegiert, Freundlichkeit rationalisiert. Und dann, im Dezember, wird alles nachgeholt - mit einem Pathos, das man sonst nur aus Staatsakten kennt. Der Kalender zwingt uns zu GefĂŒhlen. Und das ist psychologisch ungefĂ€hr so sinnvoll, wie sich vorzunehmen, am Donnerstag um 18 Uhr spontan zu sein.
Der Grund, warum mich das nervt, ist ziemlich einfach: Weihnachten ist nicht das Fest der Liebe.
Es ist das Fest der Erwartungen.
Und Erwartungen sind die aggressivste Form von Hoffnung. Man erwartet Harmonie, Dankbarkeit, âbesinnliche Stimmungâ, perfekte Geschenke, perfekte Familienbilder. Und weil niemand das leisten kann, wird die Differenz zwischen Ideal und RealitĂ€t mit passiv-aggressiver Freundlichkeit zugeschmiert. Die Psychologie nennt das kognitive Dissonanz: Wenn das Bild nicht stimmt, wird nicht das Bild korrigiert - sondern die RealitĂ€t beschuldigt.
Und dann diese Geschenke. Diese kleinen, teuer verpackten SchuldabtrĂ€ge. Man kann ein Jahr lang emotional abwesend sein und es dann mit einem Pullover âwiedergutmachenâ, der aussieht wie eine Strafe. Beziehung wird zur Transaktion: Ich gebe dir etwas, damit wir nicht ĂŒber das reden mĂŒssen, was fehlt.
Das ist keine GroĂzĂŒgigkeit.
Das ist Konfliktvermeidung.
Ich sehe leider immer die Mechanik. Weihnachten arbeitet mit sozialer Erpressung. Wer mitmacht, gilt als âwarmâ. Wer nicht mitmacht, als âkaltâ. Das ist klassisches Gruppendenken: KonformitĂ€t wird als Moral verkauft. Und wer abweicht, wird emotional sanktioniert. Nicht mit Argumenten; mit Blicken.
Was mich daran wirklich immer fasziniert: Wie schnell erwachsene Menschen regressieren. Plötzlich wird wieder gezÀhlt, verglichen, gekrÀnkt. Wer hat wen eingeladen? Wer hat wie viel geschenkt? Wer ruft wen an? Weihnachten ist das jÀhrliche Audit der Beziehungskonten; nur ohne Transparenz, ohne Regeln und mit maximaler KrÀnkungsbereitschaft. Der Mensch liebt Rituale, aber er liebt noch mehr: Recht behalten in seinen EnttÀuschungen.
Und trotzdem: Ich verstehe, warum Weihnachten existiert. Es ist ein kultureller Notfallknopf. Ein symbolischer Versuch, den sozialen Zusammenhalt zu retten, weil er im Alltag zu teuer geworden ist. Nur: Ein Notfallknopf ersetzt keine Wartung. Wer NĂ€he nur im Dezember ĂŒbt, erlebt sie im Rest des Jahres als Ausnahmezustand.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin nicht gegen Liebe, wohl aber gegen ihre Zwangsverordnung. Und wenn es Sie auch nervt: Willkommen im Klub.
Wir sind nicht unbesinnlich.
Wir sind nur allergisch gegen Inszenierung.